
Steve Harley & Cockney Rebel
Albumtitel: The Psychomodo
Veröffentlichungsjahr: 1974
Vertrieb/Label: EMI Electrola
Homepage: https://www.steveharley.com
Rezension
The Psychomodo, das zweite Album von Cockney Rebel, erschien am 2. Juni 1974 – in einer Zeit, als die britische Musikszene zwischen Glam-Rock, Prog und Art-Pop schwankte. Steve Harley & Cockney Rebel waren alles andere als eine gewöhnliche Rockgruppe: Kein ausgewiesener Lead-Gitarrist, stattdessen elektrische Violine, opulente Orchesterarrangements und Harley als Frontmann, Lyriker und Hauptvisionär. The Psychomodo ist theatralisch, exzessiv, traurig,, glamourös und etwas absurd.
Hintergrund und Entstehung
Nachdem das Debüt The Human Menagerie (1973) keinen UK-Charterfolg brachte, musste sich die Band neu erfinden. Mit dem Hit „Judy Teen“ gelang der Durchbruch – während gleichzeitig das Nachfolgealbum produziert wurde.
Die Aufnahmen fanden zwischen Februar und März 1974 in Londoner Studios statt, produziert von Steve Harley selbst – zusammen mit Alan Parsons, damals technischer Assistent für Pink Floyd und später Headliner der Alan Parsons Project. Die Zusammenarbeit mit Orchesterarrangeur Andrew Powell – später Kate Bush – verleiht dem Album einen unverkennbar orchestralen Glanz.
Klanglich ist The Psychomodo zugleich düsterer und zugänglicher als das Debüt, mit etwas mehr Rock-Elementen.
Das Album wurde in den Niederlanden zunächst als Vinyl-LP veröffentlicht; in Deutschland war es weniger bekannt, aber umso einflussreicher im Kontext des progressiven Glam-Rock.
Die LP machte Cockney Rebel in Großbritannien bekannt, doch zur selben Zeit endete die ursprüngliche Bandformation durch interne Spannungen: Die meisten Bandmitglieder verließen die Gruppe, nur Schlagzeuger Stuart Elliott blieb Harley treu.
Musik und Stil
Harleys laszive Stimme ist das verbindende Element zwischen Exzentrik und Melodie. Seine Texte sind voller literarischer, historischer und autobiografischer Bezüge – von Shakespeares „Desdemona“ über Orwell bis zu eigenen persönlichen Abgründen. Das Album ist kein reiner Glam-Rock, vielmehr ein Kaleidoskop aus Cabaret, Psychedelia, Blues, Musiktheater und Rock der frühen 1970er-Jahre. Es ist ein Rausch!
Die Instrumentierung ist ungewöhnlich: Keine Gitarren (außer Bass), stattdessen dominieren elektrische Violine und Klavier die Struktur. Die Arrangements sind opulent, aber niemals kitschig oder seicht. Die Orchesterparts, etwa bei „Tumbling Down“, sind wunderbar integriert, fast filmmusikalisch. Die Songs wechseln zwischen wabernder Energie und orchestraler Melancholie.
Die meisten Stücke wurden später für diverse CD-Editionen remastert und klingen auch heute noch knackig, wenn auch unverkennbar „aus der Zeit“. „The Big Deal“ und „Such A Dream“ ergänzten die perfekte Setlist der Originalausgabe auf Vinyl.
Alle Songs stammen aus der Feder des exzentrischen Steve Harley, der 2024 verstorben ist.
Bedeutung und Wirkung
The Psychomodo von Steve Harley & Cockney Rebel ist ein wichtiges Album der britischen 1970er-Jahre, auch wenn es kommerziell nicht an die ganz großen Erfolge der damaligen Musikära herankam. Es ist bis heute für viele ein Geheimtipp, für Fans von Glam-Rock, Bowie, Roxy Music, Procol Harum und Art-Pop gleichermaßen wichtig.
Harleys Songwriting hat mit The Psychomodo neue Höhen erreicht: Die Texte sind literarischer, die Melodien eingängiger, die Spannweite der Arrangements größer. Das Orchester ist nie bloß Dekoration, sondern integraler Bestandteil der Erzählung. Das Album lebt von der Spannung zwischen Theatralik. Groteske und Melancholie.
Ich liebe dieses zweite Album von Cockney Rebel, aber auch den übrigen Backkatalog von Steve Harley aus den 1970er Jahren. Es sind Erinnerungen an die samstäglichen Beat-Abende in der Würzburger Tanzschule Bäulke.
„See her tumbling down, tumbling down“ …….
Autor: Gerald Langer
Tracklist (Fassung der Original-LP)
- Sweet Dreams
- Psychomodo
- Mr. Soft
- Singular Band
- Ritz
- Cavaliers
- Bed In The Corner
- Sling It!
- Tumbling Down