
Jean Michel Jarre
Albumtitel: Oxygene
Veröffentlichungsjahr: 1976/1977
Vertrieb/Label: Disques Motors/Polydor
Homepage: https://www.jeanmicheljarre.com
Rezension
Meilenstein der elektronischen Musik
Jean-Michel Jarre’s drittes Studioalbum „Oxygène“ aus dem Jahr 1976 gilt als revolutionäres Werk, das die Synthesizer-Revolution der Siebzigerjahre anführte und eine neue Ära der elektronischen Musik einläutete. Das im Dezember 1976 bei Disques Motors in Frankreich veröffentlichte und 1977 international über Polydor Records vertriebene Album wurde zu einem weltweiten Durchbruch für den französischen Komponisten und Produzenten.
Entstehung und Aufnahme
Jarre komponierte und produzierte das gesamte Album zwischen August und November 1976 in einem improvisierten Studio in seiner Pariser Wohnung. Diese ungewöhnliche Produktionsumgebung trug maßgeblich zum charakteristischen atmosphärischen Sound des Albums bei, der durch die Verwendung von Echo und Halleffekten geprägt ist. Unterstützt wurde Jarre bei der Beschaffung, Aufnahme und Programmierung verschiedener Instrumente vom französischen Toningenieur Michel Geiss.
Der erste Song des Albums, „Oxygène (Part II)“, entstand auf einem alten Mellotron mit nur wenigen funktionsfähigen Tasten im Ferber Studio. Jarre verwendete ein Revox-Tonband, um Verzögerungseffekte zu erzeugen und ein „besonderes Raumgefühl“ zu schaffen. Diese innovative Technik, kombiniert mit verschiedenen Hallgeräten verlieh dem Album seine unverwechselbare räumliche Dimension.
Musikalische Innovation und Komposition
„Oxygène“ besteht aus sechs durchnummerierten Teilen, die als symphonische elektronische Musik konzipiert sind. Das Album zeigt deutliche Einflüsse der Musique Concrète von Pierre Schaeffer und wurde insbesondere von Gershon Kingsley’s Track „Popcorn“ inspiriert.
Elektronische Evokationen von Vogelgezwitscher und Meeresrauschen unterstreichen die atmosphärische Qualität des Werks. Besonders bemerkenswert ist die Verwendung verschiedener Phaseneffekte und Modulationen, die durch Pedals wie den Electro-Harmonix Small Stone Phaser erzeugt wurden.
Technische Ausstattung und Instrumente
Das Album wurde mit einer beeindruckenden Palette analoger und digitaler Synthesizer aufgenommen, die den charakteristischen Sound von „Oxygène“ prägten. Jarre verwendete hauptsächlich den EMS VCS 3 Synthesizer für verschiedene Soundeffekte und den EMS Synthi AKS für kleine Beep-Sounds und Wellengeräusche. Der ARP 2600, programmiert von Michel Geiss, lieferte den Hauptsound von „Oxygène (Part IV)“ und die „atmenden“ Wellenklänge in „Oxygène (Part VI)“.
Die Hauptsequenz von „Oxygène (Part V)“ entstand mit einem RMI Keyboard Computer, und sowohl dieser als auch der RMI Harmonic Synthesizer kamen in mehreren Tracks zum Einsatz.
Kommerzieller Erfolg
Nach anfänglichen Absagen mehrerer Plattenfirmen, einschließlich Island Records, wurde das Album schließlich bei Disques Motors veröffentlicht. Die erste Pressung von 50.000 Exemplaren wurde strategisch an Hi-Fi-Händler verteilt, die das Album zur Demonstration ihrer Stereo-Anlagen verwendeten. Diese innovative Marketingstrategie trug wesentlich zum Erfolg bei.
Das Album erreichte Platz eins der französischen Albumcharts und entwickelte sich zu einem internationalen Phänomen. Bis 2016 hatte „Oxygène“ geschätzte 18 Millionen Kopien verkauft und gilt als eines der meistverkauften französischen, elektronischen und instrumentalen Alben aller Zeiten. Der Erfolg wurde durch die Singles „Oxygène (Part II)“ und „Oxygène (Part IV)“ unterstützt, wobei letzterer zum internationalen Durchbruch wurde.
Einfluss und Vermächtnis
„Oxygène“ beeinflusste nachhaltig eine ganze Generation elektronischer Musiker, darunter Moby. Das Album ebnete den Weg für Jarre’s nachfolgende Werke wie „Equinoxe“ (1978) und seine spektakulären Open-Air-Konzerte, beginnend mit der legendären Performance am Place de la Concorde 1979.
Die innovative Verwendung von analogen Synthesizern und die atmosphärische Produktion setzten neue Standards für elektronische Musik. Jarre’s Ansatz, komplexe Soundscapes mit zugänglichen Melodien zu verbinden, schuf ein neues Genre, das sowohl kommerziell erfolgreich als auch künstlerisch anspruchsvoll war. Das Album demonstrierte das kreative Potenzial elektronischer Instrumente und inspirierte unzählige Musiker zur Exploration synthetischer Klangwelten.
„Oxygène“ bleibt ein Meilenstein der elektronischen Musik, der sowohl technische Innovation als auch melodische Schönheit in perfekter Balance vereint und bis heute als Referenzwerk für atmosphärische Synthesizer-Musik gilt.
Ich habe dieses Album – kurz nach seinem Erscheinen – am liebsten mit meinem Jugendfreund Winfried bei offenem Zimmerfenster gehört. Die oben beschriebene Dynamik des Vinyls brauchte Raum und keine 10 Quadratmeter Sozialwohnung.
Oxygène ist in diversen Re-Releases erschienen. Nächstes Jahr feiert das Album sein 50. Jubiläum. Da kommt sicherlich noch eine Sonderedition.
Autor: Gerald Langer
Tracklist
Side One:
- Oxygène (Part I) – 7:39
- Oxygène (Part II) – 7:49
- Oxygène (Part III) – 3:16
Side Two:
- Oxygène (Part IV) – 4:14
- Oxygène (Part V) – 10:23
- Oxygène (Part VI) – 6:20
Credits
- Jean-Michel Jarre – Produktion, Komposition
- Jean-Pierre Janiaud – Mischung
- Patrick Foulon – Mischassistent
- Michel Granger – Artwork
- David Bailey – Fotografie (Rückseite der Albumhülle)