Lou Reed & John Cale: Songs For Drella

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Lou Reed & John Cale

Albumtitel: Songs For Drella
Veröffentlichungsjahr: 1990
Vertrieb/Label: Sire Records
Homepage: https://john-cale.com


Rezension

Nach zwanzig Jahren Funkstille folgte mit Songs for Drella (veröffentlicht am 11. April 1990) die erste vollständige Kollaboration von Lou Reed und John Cale, seit sie gemeinsam die legendäre Band The Velvet Underground verlassen hatten.

Das Album ist eine intime, songzyklische Hommage an Andy Warhol, ihre gemeinsam verehrte, doch ambivalent betrachtete Ikone und frühere Mentorfigur.

„Drella“, ein von Warhols Inner Circle kreiertes Kofferwort aus „Dracula“ und „Cinderella“, fasst diese Doppelrolle treffend: Warhol als unnahbarer, glamouröser Vamp und schillernde Märchenfigur zugleich.

Lou Reed und John Cale treten als Biografen und Protagonisten auf – mal spricht der ehemalige Freund, mal der Nachrufer, mal der Fabulierer, der sich selbst in den Geschichten spiegelt.

Die Musik ist karg, fast minimalistisch arrangiert. Cale spielt Viola, Klavier und Keyboards, Reed begleitet sich über weite Strecken nur auf der Gitarre. Die Stücke klingen in Teilen wie klassische Songs, andere wirken experimentell, ganz im Geiste von Warhols Factory und der alten Velvet Underground.

Die Produktion unterstreicht den intimen, „publikumslosen“ Charakter: Man hört keinen Applaus, nur die Stimmen der beiden Künstler, als stünden sie alleine in der Kammer, nach dem Tod ihres Freundes. Es sind weder Rock- noch Pop-Songs, sondern erzählende Porträts, die sich Warhols Leben von allen Seiten annähern, von den Kindheitsjahren in Pittsburgh bis zu den späten, einsamen Jahren nach dem Attentat.

Lou Reed und John Cale finden in Songs for Drella zurück zu einer gemeinsamen Sprache, die ebenso respektvoll wie ironisch, sentimental wie distanziert ist. Reed gelingt es, Warhols Wünsche, Stolz und Tragik aufzuspüren („Nobody But You“, „Hello It’s Me“): Seine Songs sind direkt, oft bitter, gelegentlich verletzlich.

Cale wiederum nutzt seine Stücke, um die absurde, fast philosophische Seite des Mythos Warhol zu beleuchten. „Style It Takes“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich ironische Distanz und berührende Authentizität gegenseitig durchdringen.

„A Dream“, ein weiterer Höhepunkt, basiert auf einer Passage aus Warhols Tagebüchern und wird von Cale gesprochen – ein bewegender Monolog, der das Unwiderrufliche, das ein früher Tod für die Hinterbliebenen bedeutet, eindrucksvoll nachzeichnet.

Das Album ist also eine reine Duett-Konstellation:

Nur Lou Reed und John Cale selbst, ohne Gastmusiker, ohne Band. Eine solche Reduktion verstärkt die persönliche, nahezu sezierende Qualität des Werkes, das sich weder in Sentimentalität noch in Zynismus verliert, sondern kunstvoll einen Balanceakt zwischen beiden vollzieht.

Songs for Drella ist weder bloßes Andenken noch bloß ironische Aufarbeitung. Es ist ein bittersüßer Dialog zweier Freunde, die sich nach langem Zerwürfnis wiederfinden und alles, was bisher nicht gesagt wurde, endlich auf den Tisch legen.

Die Texte erzählen von Warhol, aber auch von Reed und Cale selbst. Das Album ist ein seltenes Dokument, das zeigt, wie Kunstbeziehungen über den Tod hinaus wirken – und wie sie vielleicht am stärksten gerade dann werden, wenn sie zerbrochen sind.

Und so bleibt Songs for Drella vielleicht das ehrlichste, das schmerzlichste, und eines der ästhetisch gelungensten Alben zweier Musiker, die sich gemeinsam zuletzt auf „White Light/White Heat“ als Freunde in schwierigen Zeiten verabschiedet hatten und nun, nach Warhols Tod, wieder zueinander, zu sich und zur gemeinsamen Vergangenheit gefunden haben – wenigstens für die Dauer eines Albums.

Songs For Drella war zwar kommerziell nicht besonders erfolgreich. Mir bedeutet es allerdings sehr viel. Man muss kein Fan von Andy Warhol sein, um an dieser posthumen Wertschätzung des Künstlers durch zwei legendäre Musiker teilhaben zu können.

Autor: Gerald Langer


Tracklist

  • Smalltown | Lou Reed | 2:04
  • Open House | Lou Reed | 4:18
  • Style It Takes | John Cale | 2:54
  • Work | Lou Reed | 2:38
  • Trouble with Classicists | John Cale | 3:42
  • Starlight | Lou Reed | 3:28
  • Faces and Names | John Cale | 4:12
  • Images | Lou Reed | 3:31
  • Slip Away (A Warning) | Lou Reed | 3:05
  • It Wasn’t Me | Lou Reed | 3:30
  • I Believe | Lou Reed | 3:18
  • Nobody But You | Lou Reed | 3:46
  • A Dream | John Cale | 6:33
  • Forever Changed | John Cale | 4:52
  • Hello It’s Me | Lou Reed | 3:13

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