
Nirvana
Albumtitel: Nevermind
Veröffentlichungsjahr: 1991
Vertrieb/Label: Geffen Records, Sub Pop
Homepage: https://www.nirvana.com/
Rezension
Am 24. September 1991 erschien „Nevermind“, das zweite Studioalbum der US-amerikanischen Band Nirvana, und veränderte die Musikwelt fundamental. Das bis heute meistverkaufte Werk der Grunge-Ära markierte nicht nur einen Bruch mit den Glam- und Stadionrock-Exzessen der späten 1980er-Jahre, sondern verschaffte einer ganzen Generation ein musikalisches Sprachrohr, das Unzufriedenheit, Wut und Melancholie direkt und unverblümt artikulierte.
Zeitgeist & Entstehung
Die frühen 90er Jahre waren musikalisch geprägt von Ziellosigkeit und der Suche nach neuen Ausdrucksformen jenseits der überproduzierten Mainstream-Ästhetik. Nirvana, gegründet im rauen Umfeld der Pazifikküste, verkörperten einen radikalen Wandel.
Weg vom Virtuosen, hin zum Existenziellen und Authentischen. „Nevermind“ entstand im Frühjahr und Sommer 1991 in den Sound City Studios in Kalifornien und den Smart Studios in Wisconsin unter der Regie des Produzenten Butch Vig, der mit klaren Vorstellungen gearbeitet und der Band zu einem kompromisslosen, aber gleichzeitig radiotauglichen Sound verholfen hat.
Mit Dave Grohl am Schlagzeug und Krist Novoselic am Bass sowie der charismatisch gebrochenen Stimme und den Songwriting-Qualitäten von Kurt Cobain war die Band bereit, neue musikalische Maßstäbe zu setzen.
Musikalisches Konzept
Was „Nevermind“ auszeichnet, ist die gelungene Verschmelzung von roher Energie und melodischer Finesse. Cobain orientierte sich stark an Einflüssen wie den Pixies, R.E.M., nutzte laute und leise Passagen, simple Strukturen und hymnische Refrains.
Der Opener „Smells Like Teen Spirit“ ist heute ein Synonym für den musikalischen Aufschrei der Generation X. Mit seinem einprägsamen Riff und der explosiven Steigerung des Refrains wurde der Song ein globaler Hit.
Auch Songs wie „In Bloom“, „Come as You Are“ und „Lithium“ zeigen diese Balance aus Eingängigkeit und Verstörung. Sie sind gleichzeitig melancholisch, ironisch und voller Energie.
„Polly“ und „Something in the Way“ repräsentieren die ruhigeren Momente des Albums, in denen Cobains fragile Stimme besonders nachhallt. Dagegen schlagen Stücke wie „Breed“ und „Territorial Pissings“ mit wütender Punk-Attitüde und Tempowechseln auf ein fast aggressiv-anarchisches Level um.
Songtexte und Themen
Inhaltlich behandelt Nirvana’s Nevermind den Bruch mit gesellschaftlichen und persönlichen Erwartungen. Antikapitalismus, Anti-Sexismus und Selbstfindung stehen im Mittelpunkt; aber auch Liebe, Frustration, Außenseitertum und Depression ziehen sich wie ein roter Faden durch die Songs. Cobains Texte sind oft kryptisch, fragmentarisch, und gewinnen gerade dadurch an Ausdrucksstärke und Unmittelbarkeit.
Kurt Cobain sagte einmal, er wolle „Pop-Songs schreiben, die über Mord und Verzweiflung handeln“ – und genau das gelingt ihm.
Produktion und Sound
Butch Vig verstand es, den Sound von Nirvana einzufangen: Die Produktion ist druckvoll, aber nie steril. Gitarren und Bass sind meist im Vordergrund, das Schlagzeug wirkt kräftig und rau. Die Songs sind klar strukturiert, ohne die Energie der Punk-Wurzeln zu verlieren. Auch klangliche Experimente wie der „Hidden Track“ („Endless, Nameless“) zeigen die Nähe des Albums zum Noise-Rock und zur Live-Improvisation auf.
Erfolg und Wirkung
„Nevermind“ wurde zum Meilenstein: Über 30 Millionen verkaufte Einheiten weltweit, Chartpositionen in den Top 10 diverser Länder und zahllose Auszeichnungen.
Das Album stieß Michael Jacksons „Dangerous“ vom ersten Platz der US-Charts und prägte fortan nicht nur den Soundtrack einer Generation, sondern auch das Mode- und Lebensgefühl. Kultige Auftritte wie der MTV-Gig „Live & Loud“ oder die legendäre Zerstörung von Instrumenten machten Nirvana und „Nevermind“ zum Mythos.
Auch die Kritik feiert „Nevermind“ bis heute: Es rangiert regelmäßig in Listen der besten Alben aller Zeiten und gilt als Startpunkt des Alternative- und Indie-Rock-Booms der 1990er Jahre.
„Nevermind“ bleibt eine musikalische Revolution. Roh, ehrlich, bis heute relevant ist das Album eine der wichtigsten Inspirationen für Rockmusiker. Das Artwork ist ikonisch, die Musik direkt. Nirvana schufen ein zeitloses Album für die ewige Suche nach Identität und Gemeinschaft.
Ob auf Vinyl oder digital – „Nevermind“ macht hörbar, dass Musik manchmal der beste Ausdruck für das Unaussprechliche ist.
Ich werde nicht vergessen, wie mir Holger F. dieses Album im September 1991 vorbeibrachte mit dem Hinweis, ich solle es mir unbedingt und schnellstmöglich anhören. Vom ersten Moment an hat es mich regelrecht umgehauen, obwohl ich mich – rein altersbedingt – bis heute nicht der Generation X zugehörig fühle.
Autor: Gerald Langer
Tracklist
- Smells Like Teen Spirit – 5:02
- In Bloom – 4:15
- Come as You Are – 3:39
- Breed – 3:04
- Lithium – 4:17
- Polly – 2:56
- Territorial Pissings – 2:23
- Drain You – 3:45
- Lounge Act – 2:37
- Stay Away – 3:33
- On a Plain – 3:17
- Something in the Way – 3:51
- Endless, Nameless (Hidden Track, Cobain, Novoselic, Grohl) – 7:24